Archivität – die Seinsbedingung des Archivs /// Bild- und Tonmaterial hier ///
Vortrag präsentiert während des Kolloquiums Gedächtnisse und Hinterlassenschaften der Befreiungskämpfe (Memórias e Legados das Lutas de Libertação), Bissau, Guinea-Bissau, September / Oktober 2018. Übersetzung aus dem Portugiesischen ins Deutsche und Lektorat von Karin Coutinho.

 

 

Einleitend möchte ich bemerken, dass mein Beitrag sich nicht als Zusammenstellung von Forschungsergebnissen versteht, sondern vielmehr als Statement eines Künstlers, in dem Fragen und Überlegungen aufgezeigt werden, die aufkommen und denen im Laufe der Arbeit nachgegangen werden soll. Dass solch ein Statement, d. h. eine Erklärung zur künstlerischen Position, notwendig ist, zeigte sich, als ich mit dem Team des Berliner Phonogramm-Archivs zum ersten Mal darüber gesprochen habe, ob und wie die Tonarchive der staatlichen Rundfunkanstalt von Guinea-Bissau (Radiodifusão Nacional da Guiné-Bissau) wiederhergestellt werden könnten. In diesem Gespräch wurde ich auf den normalerweise von potenziellen Förderinstitutionen geforderten institutionellen Rahmen eines solchen Vorhabens hingewiesen, aber auch auf den Bezug von solch einem Projekt zu Kunstpraxen, denn genau von dieser Position aus spreche ich hier. Ich musste mich also fragen, wie künstlerische Ansätze nicht als Gegensatz zu wissenschaftlichen Studien, sondern in interdisziplinärer Zusammenarbeit bei der Wiederherstellung mitwirken können. Mir geht es hier darum, über eine Darstellung des Archivs zu reflektieren, die ganz anders sein kann als beispielsweise die der Archivwissenschaft oder der Katalogisierungsmethodik. Denn ich meine, wenn man Gedächtnisse – und insbesondere Gedächtnisse von anderen – wiederaufleben lässt, sollte man nicht nur darüber nachdenken, wie man dies machen will, sondern auch in welcher Absicht. Um das Archivgut darzustellen, kann meiner Ansicht nach im künstlerischen Kontext auf Erzähltechniken zurückgegriffen werden, die von Chronologie und Bericht vollständig losgelöst sind. Was ich damit meine ist, dass die Künste Möglichkeiten eröffnen, nicht nur die gesprochenen Worte der im Tonarchiv aufgenommenen Stimmen zu erfassen, sondern darüber hinaus auch die mit ihnen mitschwingenden individuellen Affekte.

 

Als ich darüber nachdachte, worüber mein Beitrag heute gehen solle, um ihm dann einen Titel geben zu können, hielt ich es für wichtig, das Archiv in seiner Beziehung zur heutigen Zeit, d. h. die Verkörperung des Gedächtnisses, zu betrachten. Kunstpraxen, vor allem vielleicht performativen Kunstpraxen, können damalige Gefühle einwohnen, ohne dass sie den Anspruch hätten, dass die Worte ihre eigenen seien, sodass sie gewissermaßen das Archiv und seine Stimmen für die Zeit übersetzen, in der sie sie darstellen. Deswegen habe ich als Titel für meinen Beitrag den Ausdruck „Archivität“ geprägt – ein Begriff, den es im Portugiesischen nicht gibt und den ich in Anlehnung an das Deutsche durch Anhängen der Nachsilbe „-ität“ (portugiesisch: -idade) an das Substantiv „Archiv“ geschaffen habe, um das Publikum einzuladen, sein Augenmerk von einem objektzentrierten Verständnis von Archiv (Archivgut, Katalogisierung, usw.) abzuwenden und es auf die eigentliche Seinsbedingung des Archivs zu richten, die ich als ein repräsentierbares Gedächtniskontingent verstehe. Die Frage, die sich hier für mich stellt, ist also, wie kann ich als Künstler mit meinen Hilfsmitteln, Methoden und sprachlichen Mitteln zu einer Repräsentation des Tonarchivs beitragen, bei der nicht nur seine Gespenster, sondern auch seine Antezipierungen beleuchtet werden sollen.

 

Reel-to-reel tape.

 

 

Die Bilder, die ich im Magazin des Tonarchivs der staatlichen Rundfunkanstalt von Guinea-Bissau (Radiodifusão Nacional da Guiné-Bissau) gemacht habe, zeigen einen geschlossenen Raum ohne Fenster, der immer noch beherrscht wird von den irgendwie ins Auge stechenden Überresten eines Lüftungssystems. Es ist, als ob das jetzt stillgelegte Archiv abgeriegelt wäre von den anderen für die täglichen Redaktions- und Sendearbeiten der Rundfunkanstalt genutzten Räumen. Ein Raum fern ab von der Aktualität, der seit der Umstellung auf digitale Rundfunkübertragung in der Zeit stehengeblieben ist. Auf den Metallregalen entlang der Wände sind Tonbänder zumeist stehend aufbewahrt, manchmal jedoch entgegen der anscheinend anfänglich beabsichtigten Ordnung auch später hingelegt worden. Diese Brüche in der Ordnung referieren übrigens auf den turbulenten Weg des Archivs selbst und erinnern nicht nur an die Umquartierung des Archivguts nach der Unabhängigkeit von Conakry nach Bissau, sondern auch an die Besetzung der Rundfunkstation durch das senegalesische Militär während des Bürgerkriegs Ende der 90er Jahre. Aber auch wenn das Archiv in Vergessenheit geraten scheint, so kommt ihm dennoch weiter die Bewahrung der jüngsten Vergangenheit des Landes zu.

 

Auf den ersten Blick hat man den Eindruck, dass man den Archivbestand nicht auf Grund irgendeiner Klassifikation, sondern allein in seiner absoluten Undurchsichtigkeit begreifen kann, denn ich kann keinerlei Hinweise auf eine Gliederung nach Themen erkennen, auch wenn die mutmaßliche Ordnung der Tonbänder wohl irgendwie an äußerlichen Kriterien, wie Größe und Hülle, festgemacht ist. Von grundlegender Bedeutung ist jedoch, die Tonbänder als Vermächtnis des Unabhängigkeitskampfs (Sendungen von Rádio Libertação) und der ersten Jahre von Guinea-Bissau (der Sender Radiodifusão Nacional führte auch eine Erhebung über die Musik des Landes durch) als vom portugiesischen Kolonialismus (dem portugiesischen Hörfunksender Emissora Nacional) befreites Land zu verstehen. Aber auch wenn es nahezu ausgeschlossen ist, sich Zugang zum Archivbestand zu verschaffen, kann er, während das amphibolische Bild vom Archiv zunehmend in Fragmente von Unterdrückung und Widerstand zerfällt, unter dem Aspekt der verbliebenen Singularität jedes einzelnen Archivstücks betrachtet werden, die sich in den handschriftlichen Notizen von Archivaren und Journalisten erkennen lässt. Und weil es hier um ein mundtot gemachtes Tonarchiv geht – ein Bild, das nicht gesehen wird -, sind diese Anmerkungen die einzigen Zeugen, die bis jetzt auf den zwangsläufig schrittweisen Weg zur Emanzipation hinweisen. Es handelt sich hier also nicht um ein Archiv über die Kolonialordnung, nach Art der Nationalen Geschichtsarchive (Arquivos Históricos Nacionais), die dem Nationalen Studien- und Forschungsinstitut (Instituto Nacional de Estudos e Pesquisa) unterstehen, deren Bestände der territorialen und administrativen Gliederung Portugals und damit Besatzungsprozessen entsprechen und reflektieren, sondern um ein Archiv, das mit nicht allzu weit von der Ästhetik entfernten Mitteln die Befreiungsbewegung dokumentiert, die genau dieses Regime unterminierte. Zwar mag der Magazinraum des Tonarchivs zunächst wie ein romantisiertes Bild vom Niedergang der Geschichte anmuten, das in erster Linie eine gespenstische Emanation der Vergangenheit ist, aber das Archiv erweist sich vielmehr als urteilendes und beweislieferndes, wenn auch unfreies und die Befreiung ersehnendes Organ.

 

Zunächst einmal ist es notwendig, sich das Archivgut physisch vor Augen führen, um auch seinen Verfall zu objektivieren, und zwar scheinbar vergessene Tonbänder auf dem Weg in den Verfall, ein Gang, der hier noch durch den Zustand des Magazinraums und das tropische Klima beschleunigt wird. Der Zerfall der Archivalien selbst wurde Teil des Archivs: man kann es sich schon nicht mehr ohne die Stille vorstellen, die die auf den Tonbändern aufgezeichneten Mitteilungen durchbricht und nun Teil von ihnen wurde; politische Stimmen, die vom nationalen Befreiungsprozess in Guinea berichten und ihn unterstützten und die jetzt ironischerweise von der gleichen Zeit geknebelt werden, die sie selbst antizipierten und ersehnten. Und genau diese Tonbänder, die die flüchtigen Stimmen aufzeichneten, konnten trotz ihrer materiellen Bedingtheit Orte und Zeiten überwinden und transportierten politische Reden über das Recht auf Selbstbestimmung. Aber die jetzt hermetische Abriegelung des Archivs hält ihre Subjekte, Überzeugungen und Ausdrucksformen beharrlich gefangen, weil sie nun nicht mehr auf ihrer eigenen Körperlichkeit, sondern der eines fremden Objekts beruhen. Man kann also sagen, dass das zerfallene Archivobjekt, in dem vokale Affekte mit aufgezeichnet sind, auch die politischen Agenten der Befreiungsbewegung in dem historischen Netz des Imperialismus an der Schwelle seiner Existenz einfängt. Das Tonarchiv kann also als latente Geschichtsschreibung begriffen werden, ein Bestand von nicht historizierten Geschichten, der, weil sein Ausdrucksmittel Stimmen sind, nicht nur individuelle Berichte über das antikoloniale Unterfangen, sondern auch die Affektivität der zugehörigen Subjekte manifestiert.

 

In einem zweiten Schritt möchte ich über die Beziehung der Stimme zum Körper reflektieren. Im Gegensatz zu anderen ausschließlich der Körperoberfläche entspringenden Ausdrucksformen, wie beispielsweise Gesten, wird die Stimme an einem verborgenen Ort erzeugt. Sie unterscheidet sich von der Geste insofern, als sie sich vom Subjekt zumindest in dem Augenblick löst, in dem sie dessen Körper verlässt und sich auf den Raum als Medium für ihre Ausbreitung überträgt. Während die Interpretation der Geste sich allein auf den Körper des Subjekts beschränkt, besitzt die Stimme die Fähigkeit, sich auch jenseits der unmittelbaren Gegenwärtigkeit des Körpers, der sie erzeugt hat, zu manifestieren. Man könnte sogar sagen, dass sie die Sterblichkeit selbst transzendieren kann. Und genau in dieser Immaterialität vermag die Stimme Gefühle zu transportieren und auszulösen, die sich mit ihrer Modulation verquicken – ja und genau aus dieser engen Verquickung mit der Sprache entspringt die besondere Ausdrucksform der Stimme, wie beispielsweise bei politischen Botschaften, wo Unterschiede in Stimmqualitäten auch Entschlossenheit ausdrücken. Damit will ich sagen, dass die Stimme, gerade weil sie der Schnittpunkt von Körper und Sprache ist, wie die Repräsentation des Subjekts funktioniert: sie ist nie nur ein Sinn- oder Gefühlsvehikel. Sie ist die Stelle, wo individuelle Inhalte intersubjektive Beziehungen aufbauen und gleichzeitig affektive und politische Dynamiken zwischen Sprecher und Hörer definieren. Aber es gilt auch den historischen und geografischen Kontext, in dem die Stimme vernommen wird, einzubeziehen, denn hier geht es um eine Begegnung mit der kolonialen Vergangenheit, die Gedächtnisse in einem transnationalen Paradigma weckt. Was könnte also in einem heutigen Kunstkontext der Beweggrund für die Wiederbelebung der in den Tonarchiven eingesperrten Stimmen sein? Mit anderen Worten, wie können Kunstpraxen zur Repräsentation des Archivs und dadurch zur Geschichtsschreibung beitragen?

 

Mit einer Wiederherstellung des Archivguts im Kunstkontext wird nicht nur seine epistemologische, sondern auch seine ästhetische Offenbarung möglich, und zwar insbesondere – und das möchte ich hier in den Fokus nehmen – in Hinsicht auf den Ausdruck von Widerstand, der, auch wenn es weder einen Kampf gegen die physische Besetzung des Landes mehr gibt, noch es sich um einen militarisierten Ausdruck handelt, seinen Sinn in den sich vornehmlich in den Randgebieten der alten Metropolen in Europa überlagernden Territorien hat, wo sich die Migrationsbewegungen nach der Unabhängigkeit niedergelassen haben. Gerade in den „Musseques” dieser Hauptstädte werden von der Diaspora Gedächtnisse oder auch nur Fetzen von ihr neuinterpretiert, denn sie hat keinen zu ihnen. Die besondere – Imperialismus-kritische – Erinnerung, um die es hier geht, trägt zur Festigung von transnationalen Identitäten und damit zur Dekonstruktion der westlichen Hegemonie oder zumindest zur Reflexion über sie bei.

 

Rapper and activist Chullage composes a song from archival material.

 

 

Spätestens seit dem performative turn, der seine Wurzeln zwar in den 40er und 50er Jahren hat und erst in den 90er Jahren von den Geistes- und Sozialwissenschaften Beachtung fand, kann in der Kunstgeschichte das Objekt – hier das Archivgut – nicht länger durch distanzierte Betrachtung begriffen werden. Performativität bezieht auch autorepräsentative, die Konzipierung des Objekts determinierende Strategien ein, um sie in die Analysemethoden der künstlerischen Forschungsarbeit und Produktion so zu integrieren, als würden sie ihr eigenes Gedächtnis durch das des Archivs formen lassen. Diese autorepräsentativen Strategien werden damals wie heute von Affekten gelenkt, die Ausdruck der Überlappung der im Laufe der Zeit gesammelten und das kollektive Gedächtnis prägenden Erfahrungen sind. Der Rekurs auf narrative Strategien, die auf die Porosität des Archivs bestehen, die es wie ein Kontinuum durchzieht, in es einfließt und aus ihm ausströmt, schafft einen Diskurs über die Wahrheit, ohne für sich zu beanspruchen, wahr zu sein, d. h. einen Diskurs, der zu einer Repräsentation der geschichtlichen Entwicklung selbst wird. Insofern halte ich es für wichtig, dass die Untersuchung der Tonbänder sich nicht auf eine geschichtliche, sprachliche oder musikalische Recherche beschränkt, sondern vielmehr ineinander verwobene Erkenntniskonstrukte einbezieht. Hier steht der künstlerische Ansatz nicht nur mit diesen Wissenschaftsbereichen im Dialog, sondern erlaubt es darüber hinaus das Schweigen selbst – die verlorengegangenen Fragmente der endgültig verlorenen Archivstücke – zu erörtern, die von der Wissenschaft außer Acht gelassen werden, weil sie keinerlei Information, Ton oder gesprochenes Wort vermitteln. Ich frage also: bedeutet das Fehlen des Tons, dass etwas nicht gesagt, ausgesprochen, erklärt, ausgedrückt oder vokalisiert wurde? Oder ist es Ausdruck von Anspielung, Unterstellung, Andeutung, Suggeriertem, Implizitem, wo der Hörer nicht nur in seinem Verstandesvermögen allein gelassen wird, sondern auch in seinem Unvermögen, einen Beweis für dieses Wissen zu erhalten? Genauso wie im Nicht-Gesagten oder in der Anspielung setzt auch in der durch Unterbrechungen in einer Übertragung entstehenden Stille im Radio die Erstellung neuer Inhalte aus: dies ist der Augenblick für Auslegungen, in dem, weil die Sprache ausgesetzt hat, alternative, wenn auch durch das vorher Gesagte beeinflusste Narrativen entstehen. In der Stille, in der sich nun eine neue Stimme meldet, kann der Hörer seine eigene Narrative mittels einer aktualisierten Begriffskombination aus Gefühlen und Verstand entwickeln. Die eigene Stimme des Hörers gestaltet sich hierbei durch mögliche Erwägungen, aber auch durch die Konfrontation des Hörers mit der Ungewissheit über seine Wahrnehmung. Eine Stimme bilden bedeutet auch, dass im Augenblick des Hörens eine Interiorität geschaffen wird, die sich dann in den Urteilen des Hörers reflektiert. In diesem mentalen Prozess werden auf Grund von vorherigen geschichtlichen Ereignissen Bezugspunkte gefunden, auf denen dann künstlerische Leistungen aufgebaut werden. Diese Ereignisse müssen aber nicht unbedingt einer chronologischen Abfolge nach geordnet sein, sondern können sich vielmehr auf die Idiosynkrasie des gegenwärtigen Augenblicks besinnen und eine auf eigenen Gefühlen basierende Neuinterpretation der Performativität des Originaldiskurses vorlegen. Im Ausstellungsraum wird der Stimme eine Art Zeitlosigkeit verliehen, d. h. sie regt dazu an, parallel zum Alltag einen Moment zu schaffen, in dem all die Erfahrungen, von der sie spricht, mit Hilfe von Verweisen auf Grund von zeitlicher Kontinuität und räumlicher Kontiguität zerlegt (dekonstruiert) werden. Sprache existiert über das Zeitliche und Räumliche hinaus: unabhängig von Begegnungen gab es sie immer und wird es sie immer geben, denn sie löst sich aus geschichtlichen Kontexten, die sie verkörpert und zum einmaligen Augenblick der Darstellung trägt. Die Reaktivierung von Tonbändern, d. h. die Wiederbelebung früher gesagter Wörter, bei der auch Unterbrechungen durch Lücken und unklare Passagen hingenommen werden, spricht ein Forschungsverfahren an, das auf Beweise verzichtet und von der Fähigkeit der Sprache ausgeht, sich in ihrer simultanen Zeitlichkeit und Zeitlosigkeit selbst zu aktualisieren.

 

Kunst eröffnet dem Archiv die Möglichkeit mit Werkzeugen bearbeitet zu werden, die kein Bereich der Kultur- und Sozialwissenschaften aufbieten kann. Natürlich befasst sich die künstlerische Forschung wie diese Wissenschaften auch mit Aspekten wie Interpretation oder Signifizierung, aber sie darf eine Interventionshandlung vornehmen, die auch die Körperlichkeit ihres Objekts und seine Affektivität einbezieht und dieses somit fortan die Stätte des Subjekts bewohnen lässt. Man kann also sagen, dass es der Kunst nicht um den Beweis von Fakten sondern um die Reifikation von Darstellungsprozessen geht, die ihrerseits neue Erkenntnisse hervorbringen können, insbesondere wenn sie dabei mit anderen Wissensbereichen vernetzt ist, denn dann können Beobachtungs- und Interpretationsmodi miteinander diskutiert werden. Ein weiterer Anspruch der künstlerischen Forschung ist die Konzeption, die sowohl Vorstellungen über Formulierung als auch Modellierung umfasst und daneben auch die erwirkte Impression nicht außer Acht lässt, wie solch eine Übung eingebunden wird. D. h. sie basiert nicht allein auf einer durch Verifizierung gestützten Argumentation, sondern auch auf der Autonomie des Akteurs, sodass letztendlich gängige Analysekonventionen und ihre Machtstrukturen infrage gestellt werden können. In einem Kunstkontext kann das Tonarchiv in einer Form gedacht werden, die über die von Geschichte und Archivkunde geforderten zeitlichen Abfolgen und systematischen Einordnungen hinausgeht. Stattdessen kann die Kunstpraxis Gemeinsamkeiten zwischen Vergangenheit und Gegenwart herausarbeiten, d. h. für das Archiv Kuratierungsformen präsentieren, die vornehmlich die Erzählbarkeit und weniger die Erzählung der geschichtlichen Ereignisse aufzeigen. Die Verkörperung des Gedächtnisses im Ausstellungsraum, d. h. seine Darstellung, materialisiert zeitliche und geografische Kontinuitäten, die eine Mitarbeit der Kunst an der Wiederherstellung der Tonarchive rechtfertigen. Es handelt sich um ein Verfahren, bei dem ein mögliches Geschichtsbild in der Unendlichkeit aller im Archiv enthaltenen Geschichtsbilder konstruiert wird und durch den Rekurs auf die antikoloniale Botschaft Dichotomien, Dependenzen und Interdependenzen aufdeckt, auf denen immer noch ein Konstrukt, das Westen genannt wird, gründet. Die Herausarbeitung solch einer Wahrheitsnähe referiert in erster Linie über die Ubiquität von Kolonialität.

 

Ich hoffe, dass Ihnen dies hier nicht übertrieben erscheint, diese Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die gestellt erscheinen mag, wenn man an die tatsächlichen Lebenswege und -ziele einzelner Menschen denkt, aber ich glaube, dass das Publikmachen eines Gedächtnisses, das von Emanzipierungsprozessen erzählt und Identitäten stärkt, dazu beitragen kann, hegemoniale Konzeptionen zu durchdringen.

Edilta da Silva Dias composes a song from the transcription of a radio broadcasting from the archives and sings it to the other elements of the theatre group Grupo de Teatro do Oprimido de Bissau.

 

Archiviality – the condition of archive /// Images and sound here ///

Lecture presentend during the Colloquium Memories and Legacies of Liberation Struggles (Memórias e Legados das Lutas de Libertação), Bissau, Guinea-Bissau, September / October 2018. Translation from Portuguese by Rui Vilela. Proofreading by David Wild.

 

 

Firstly, I would like to mention that my contribution is more an artist’s statement that illustrates questions and reasonings that arise and are pursued throughout the work, rather than a compilation of research results. The need for such a statement, or the declaration of an artistic position, arose when I first talked about a possible restoration of the sound archive of the National Radio Broadcasting of Guinea-Bissau with the team of the Berliner Phonogramm-Archiv. In this discussion I was warned about the institutional framework of such a project, usually required by potential funding partners – but also about the relation of such a project to artistic practices, as that is the position I am speaking from. So, I had to ask myself how artistic approaches can be adopted, not in opposition to scientific studies, but rather in an interdisciplinary manner, so as to participate in the restoration. Here I am interested in proposing to reflect on the representation of the archive collections, which may differ, for example, from those of the archival science and cataloguing methods. This is because I think that by reviving memories, and especially memories of others, it is equally relevant to think not only about how to do it but also to what purpose. My proposal is that the artistic context allows a recourse to narrative strategies for the representation of the collection that emancipate it from chronology, description and cataloging. By this I mean that the arts will allow to consider not only the words said by the voices contained in the sound archive but also the individual affects associated with them.

 

When I reflected on what my contribution may be about, in order to give it a title, I thought it was relevant to think of the archive in its relation to contemporaneity, that is, in the embodiment of memory. Artistic practices, perhaps more the performative ones, allow us to uncover previous affects without claiming the words as their own, making thereby a translation of the collections and their voices to the time in which they represent them. That is why I adopted the expression “Arquividade” (Archiviality) for the title of my contribution, a word that does not exist in Portuguese, and which I have created following the German term “Archivität” by adding the suffix –idade to the noun “arquivo“, in order to propose withdrawing the attention from an objectified understanding of the archive (its collection, its cataloging, etc.) and directing it to the very condition of being an archive, which I understand as a contingent of memory that may be represented. The question is then, how may I as an artist, with the tools, methods and terminology at my disposal, contribute to the representation of the sound archive, contemplating its spectres but also its anticipations?

 

The images I realised in the premises of the sound archive of the National Radio Broadcasting of Guinea-Bissau show an enclosed space, without windows, in which vestiges of a ventilation system, somehow prominent, still prevail. The deposit of the collection, which has now fallen into disuse, seems to remain isolated from other spaces used daily by journalistic and broadcasting activities. A space that remained on the fringes of modernity, suspended in time, starting from the moment when radio became digital. On the metal shelves arranged along the walls, magnetic tapes are accommodated, sometimes vertically, in other cases, in a later horizontal arrangement that breaks up the order anticipated earlier. These interruptions, which in turn suggest the turbulent course of the archive itself, recall not only the transfer of Conakry to Bissau after independence but also the occupation of the facilities by Senegalese troops during the civil war in the late 1990s. The archive, although it seems forgotten, still exercises the responsibility of preserving the country’s recent past.

 

At first glance, it does not seem to be possible to understand the archive according to any classification but only in its absolute obscurity, since I cannot identify any evidence of an organisation of its collections, even if the apparent layout of the magnetic tapes may loosely be based on physical criteria, such as size or cases. However, it is important to treat the magnetic tapes as legacies of the struggle for independence and the early years of Guinea-Bissau as a country liberated from Portuguese colonialism. Beyond the absolute inaccessibility of the collections, while the amphibological image of the archive gradually disintegrates into fragments of oppression and resistance, it may be thought about from the remnant uniqueness of each object, revealed by handwritten notes left by archivists and journalists. In this case, and because it is a silenced sound archive, an image that is not seen, it is only these notes that, for now, report the condition, necessarily gradual, of emancipation. This is not therefore an archive about the colonial order, such as the Bissau-Guinean National History Archives, under the tutelage of the National Institute of Studies and Research, of which its collections follow and reflect the Portuguese territorial and administrative organisation and therefore processes of occupation, but rather an archive which, with means not so distant from aesthetics, documents the movement that subverted that same regime. Although the place of deposit appears at first as a romanticised image of the perishing of history, which mainly consists of the ghostly emanation of the past, the archive reveals itself as an organ of judgment and testimony, yet again captive and in expectation of being released.

 

In the first instance, it is crucial to think the collections in their physical form to also objectify the ruin to which they are subjected, where seemingly forgotten magnetic tapes continue their path of degradation, in this case, accelerated by the deposit conditions and tropical climate. The very decomposition of objects has become an integral part of the collections: they are no longer conceivable without the silences that interrupt the messages recorded on magnetic tapes and which have now become part of them. Those political voices that have witnessed and advocated the Bissau-Guinean liberation process and which have now been silenced, ironically, by the same passage of time that they anticipated and desired. Although conditioned by the materiality of the magnetic tapes, the volatile voices were able to transpose spaces and times, while carrying with them the political discourse of the right to self-determination. However, the hermetic form in which the archive currently exists persists in keeping its subjects, their lines of thought and modes of expression, enclosed, since they no longer depend on the corporeality of their subjects but on that of an object. Thus, it can be said that it is the degraded object, in which vocal affects have been embedded, which also imprisons the political agency of the liberation movement, in the historical plot of imperialism at the threshold of its existence. The sound archive may therefore be understood as a latent historiography, a series of non-historicised histories, which, by having the voice as a mode of expression, evidences not only individual accounts of the anti-colonial enterprise but also the affectivity of their subjects.

 

During the collaboration with the theatre group Grupo de Teatro do Oprimido de Bissau.

 

 

On a second reflection, I am interested in thinking about the relation of the voice to the body. The voice has its origin in a hidden place, unlike other manifestations strictly confined to the surface of the body, as is the case of the gesture. The voice differs from the gesture because it emancipates itself from its subject; at least it does so starting from the moment in which it releases itself from the body and makes use of space for its propagation. While the reading of a gesture remains confined to the corporality of its subject, the voice is endowed with the ability to emerge beyond the immediate presence of the body that gave rise to it. Ultimately, it can be said that it is capable of transcending mortality itself. It is in this immateriality that the voice transports and unleashes affects that are related to its modulation, and it is in the intimate relation in which it exists with language that the voice finds its particular mode of expression, as in a political message in which tonal qualities equally pronounce tenacity. I want to say that a voice functions as a representation of its subject, precisely through the intersection between body and language: it is never merely a vehicle either of meaning or of affection. It is the place par excellence where individual contents build intersubjective relationships and simultaneously define affective and political dynamics between speaker and listener. However, it is important to consider the historical and geographic context in which the voice is heard, because in this case it is an encounter with the colonial past that mobilises memories to a transnational paradigm. What, then, is the motivation of the resurrection of the voices shut away in the sound archive in a contemporary artistic context? That is, in what way can artistic practices contribute to the representation of the archive and thus to historiography?

 

The restoration of the collections in an artistic context allows not only its epistemological but also aesthetic revelation, particularly as regards an aspect I am interested in focusing on: the expression of resistance. This expression, which no longer contests territorial occupation or is militarised, makes sense in overlapping territories, above all, in the peripheries of the former European metropolises, where the post-independence migratory movements settled. It is in the musseques of these capitals that the diaspora reinterprets memories, or mere traces of it, because it does not have access to it. The particular memory discussed here, which accuses an imperialist system, promotes the consolidation of transnational identities and thereby the deconstruction of Western hegemony, or at least, a reflection on it.

 

In art history, and at least after the performative turn, which despite having its roots in the 1940’s and 50’s, only began to be considered by the humanities and social sciences in the 1990’s, the object of study, in this case the archive collections, may no longer be understood from a distant contemplation. Performativity takes into account strategies of self-representation that have determined the creation of the object and considers them as an integral part of analytical methodologies. Such strategies, both past and contemporary, are guided by affects that attest to the overlapping of experiences over time and shape collective memory. The recourse to narrative strategies, that take into account the porosity of the archive, which pervade, flow into and flow out of it, as in a continuum, creates a discourse about the truth, without claiming to be true, that is, a discourse that becomes a representation of historical development itself. From a holistic approach, I consider it important not to restrict the study of the magnetic tapes to the specificity of historical, linguistic or musical research, but rather to integrate entangled compositions of these and other knowledges. Here the artistic approach dialogues not only with such disciplines but it also allows the consideration of silence itself, of those lost and no longer recoverable fragments of the degraded objects, which the sciences dismiss because of lack of information, sound and spoken word. On this occasion, I ask: does the absence of sound stand for the unspoken, unuttered, unstated, unexpressed, undeclared, wordless, unvoiced and silenced? Or may it be regarded as allusive, assumed, insinuated, suggested, implicit? The listener is hereby left in the assumption of her understanding but also with the vulnerability of not having any confirmation of this same understanding. In silence, as in the unspoken but also in the allusive, existing in the interruption of radio transmissions, the production of new meanings is dormant: this is the moment of interpretation, in which, because language has failed, alternative narratives emerge even though determined by a preceding statement. It is in this moment of silence, in which a new voice emerges, that the listener has the opportunity to develop her own narrative, in an updated set of concepts that brings together affect and reason at once. In this process, the listener’s own voice gains shape by building up possible considerations but also when confronted with the uncertainty of her perception. To create a voice is also to constitute an interiority in the moment of listening, which will be manifested in its judgments. It is in this process that references to past occurrences are found, from which artistic results are constructed. But these occurrences do not now need to follow the logic of chronology; instead, they can draw on the idiosyncrasy of the present moment by proposing a reinterpretation of the performativity of the original discourse that draws upon its affects. In the exhibition space the voice is instilled in a timeless condition, that is, it promotes the creation of a moment at the margin of everyday life, where the set of reported experiences is deconstructed with the aid of references that come not only from temporal continuity but also from spatial contiguity. Language exists beyond temporality and spatiality: it has always existed and will always exist independently of any encounter; it is freed from historical contexts because it incorporates and transports them to the instance of the singular moment of representation. A reactivation of the magnetic tapes, of the words previously said, that accepts the gaps and uncertainties that interrupt them, speaks of a process of research that abdicates from evidence and accepts the capacity for self-actualisation of language, in its simultaneous ephemerality and eternity.

 

Zia Soares (Teatro Griot, Lisbon) during the debate.

 

 

Art offers the archive the possibility of being handled with tools, which the cultural studies and social science disciplines do not have. Artistic research considers aspects common to such sciences, such as interpretation or signification, but it is also guaranteed the right to intervene, while considering the corporality and affectivity of its object, in which this gets to inhabit the role of subject. In this way, it may be said that art does not intend to demonstrate facts but to reify processes of representation that are themselves capable of producing knowledge, especially in entanglement with other disciplines, in which it becomes possible to discuss modes of observation and interpretation. Artistic research has, moreover, the objective of conception which simultaneously includes notions of formulation and modelling, without neglecting the impression with which such an exercise is embedded. Thus, it is based not only on sustained argumentation by gauging but also on the autonomy of the author, which ultimately allows a questioning of prevailing analytical conventions and their power structures. In an artistic context, the sound archive may be thought beyond the chronological sequences and systematic classifications that history and archival science require. Instead, artistic practices allow affinities between past and present to be performed, that is, to propose curatorial approaches to the archive that manifest the narratability of historical events to the detriment of narration itself. The embodiment of memory in the exhibition space, that is, its representation, materialises temporal and geographical continuities that justify the artistic participation in the restoration of the sound archive. This is a process that builds a possible image of history in the infinity of all the images contained in the archive and which, by resorting to the anti-colonial message, reveals dichotomies that continue to sustain a construct called the West. The elaboration of such a verisimilitude speaks above all of the ubiquitous condition of coloniality.

 

I hope it does not seem exaggerated to you, this relationship between past and present, which may seem, more or less, constructed when we think of individual concrete life paths and objectives, yet I think that the dissemination of a memory that counts processes of emancipation and consolidates identities may contribute to impregnating hegemonic constructions.

 

Marcelino António Injira is reminded of a song he learned on the Bissagos Islands about a woman who sings of having met Amílcar Cabral.

 

Bijago:

Aio Bruno ombame nhe keiguen Cabraloo, (2x)

Ooo Bruno ombame nhe keiguen Cabraloo, (2x)

Aio nhe keiguen Oran kutinaoo (3x)

 

English:

Bruno introduced me to Cabral, (2x)
He was the one who introduced me to the leader of the armed struggle, (2x)
He is the leader of the armed struggle. (3x)

Installation’s draft.

 

 

un-/scheinbare Landschaften – Paisagens francas na pós-colonialidade
Vortrag auf der Internationalen Konferenz über Landschaft und Kino (International Conference on Landscape and Cinema), Lissabon, Portugal, November 2018. Übersetzung aus dem Portugiesischen ins Deutsche und Lektorat von Karin Coutinho.

 

In ihrem Werk Passivität schreibt Kathrin Busch: „So beruht etwa die antike Vorstellung der Muße weniger auf einer Verweigerungpraktischer Tätigkeiten, sondern auf einer Hochschätzung des Denkens, das nur im Müßiggang möglich sei, weil es ein Freisein von den praktischen Anforderungen des Lebens zur Voraussetzung habe. Nur aus den Zweckzusammenhängen herausgesetzt, sei man zur philosophischen wie ebenso zur politischen Weisheit fähig.” Diesem Gedanken folgend fotografierte ich unbekümmert beim Umherschlendern Landschaften in Guinea-Bissau, woraus verschiedene Bildsequenzen entstanden, die wie eine Installation aus mehreren 35mm Diaprojektionen ausgestellt werden sollen. Ich möchte es als eine performative Darstellung von Raum bezeichnen, wo dieser, weil ihm Weite beigelegt wird, nicht nur in seiner Physizität (Greifbarkeit), sondern auch in dem begriffen werden kann, was er ausstrahlt und durch Bilder ausgedrückt wird. Die Handlung des Gehens erscheint uns also wie ein Ort der Bildschöpfung, d. h. künstlerischer Produktion: Repräsentation und Signifikation in einem. Ich denke, dass solche zunächst für müßig gehaltenen Beobachtungen, die den Raum und seine natürlichen und anthropogenen Prozesse und Elemente betrachten und dokumentieren, die Grundlagen für eine Reflexion schaffen, die gleichzeitig eine ästhetische Reflexion über Landschaft wie auch eine politische über Territorium ist. Die vermeintliche Trostlosigkeit des Weges verleiht den Bildern Banalität, was lediglich ein Zeichen dafür ist, dass sie Erlebtes aus der Vergangenheit nicht erneut wach zu rufen vermögen, denn – anders als Archivbilder – dokumentieren diese Bilder keine für die geschichtliche Entwicklung prägenden Ereignisse. Dies gilt zumindest soweit bis ich Motive erblicke, die ganz gezielt den Sinn und Zweck haben, die Vergangenheit zu repräsentieren. Der Verfall einzelner Teile, der darauf hinweisen kann, dass sie in Vergessenheit gerieten oder vom Gedächtnis als unbedeutend eingestuft wurden, oder der vielleicht ganz einfach einen Zug der Zeit selbst widerspiegelt, ist nicht mehr als ein Ausdruck des Zerfalls, dem bereits andere geweiht worden sind. Auf den Bildern, die ich außerhalb von größeren Städten aufgenommen habe, sind solche kaum merklichen Spuren nur unter Umständen erkennbar: eine Betonplattform, die auf den Kongressen der Afrikanischen Partei für die Unabhängigkeit von Guinea-Bissau und Kapverde (Partido Africano para a Independência da Guiné e Cabo Verde) in Cassacá als Bühne diente und zu einem im Erdboden versunkenen Indiz des Widerstands wurde oder Grenzsteine, die die Gespräche zwischen den Kolonialherren materialisieren, die die Gebiete der zukünftigen Nationalstaaten absteckten.

 

Wie die Autorin schon bemerkt – und um den schon in der Antike bekannten Zusammenhang zwischen Nachsinnen und Muße aufzugreifen –, finde ich bei Passivität, Unbeschwertheit und Umherschlendern Anstöße zum Nachdenken, das hier scheinbar zwangsläufig auch über Besatzungspolitiken geht, denn ich betrachte ja nicht irgendein, sondern ein ehemals kolonisiertes Territorium. Hier möchte ich noch darauf hinweisen, dass jedes von einem physischen Raum gemachte Bild, auch wenn es performativ ist, will sagen, wenn es ursprünglich Handlungen und Formen der Raumwahrnehmung darstellt, diesen Raum dekonstruiert, denn es ist immer eine Teilaufnahme und kann von daher nicht sein prägendes Merkmal reproduzieren: das Beschränktsein des Korpus selbst. In diesem Zusammenhang wird das Bild immer eine Metapher von Raum sein, nie selbst der Raum, und bedarf von daher Installationsarten, die die Dreidimensionalität aufzeigen. Bei der Übung, den Raum in einen Kunstgegenstand zu übersetzen, fehlen in der Installation nun aber Kenntnisse, die auf dem Bild nicht sichtbar sind, die den Augenblick der Bildentstehung jedoch mitprägten. Hier finde ich die Möglichkeit, den dargestellten physischen Raum dort durch Texte zu beschreiben, wo das fotografische Bild nicht ausreicht; mit anderen Worten, hier liegt die Diskrepanz zwischen der Raumwahrnehmung und dem Bild, was den Rekurs auf Worte nahelegt und damit die Gestaltung eines Metaraums anspricht.

 

Corubal River.

 

 

Der Titel dieses Beitrags „un-/scheinbare Landschaften“, der ursprünglich auf Deutsch konzipiert wurde und den ich ins Portugiesische mit „Paisagens francas“ übersetze, bedient sich des Wortpaars scheinbar/unscheinbar. Zwar schließt scheinbar, das sich von dem Verb scheinen ableitet und leuchten oder glänzen (portugiesisch „brilhar“) bedeutet und damit auf die Fähigkeit verweist, sichtbar und vorstellbar zu werden, die Eigenschaft illusorisch zu sein ein, d. h. es bezieht sich auf das Erscheinungsbild; anders jedoch unscheinbar, das auf Grund seiner Graphie der Gegenpart des ersten zu sein scheint und in dessen Bedeutungsumfang sich kraftlos, matt, schwach, und ausdruckslos, nichtssagend, aber auch unmerklich, ja selbst langweilig und uninteressant finden. Insofern will der Titel sagen, dass es bei einer solchen Visualisierung von Raum um seine vermeintlich unsichtbare Erkennbarkeit geht, d. h. er will das Augenmerk von der morphologischen Dimension des Raums ab- und dem zuwenden, was in ihm zwar mehr oder weniger verborgen steckt, aber der Disambiguierung des Bildes nutzen kann. Bei dieser Charakterisierung von Raum darf nicht allein auf die Landschaft abgestellt werden, die ich hier als das Bild von Gelände verstehe, denn vor dem Bild gibt es keine Landschaft, sondern nur Gelände, d. h. das Bestehen von Landschaft setzt eine bildliche oder literarische Vorstellung von ihr voraus; es gilt daneben das Staatsgebiet als geschichtspolitische Konstruktion in Betracht zu ziehen. Die ökologische Besonderheit, die unter anderem eine Landschaft auszeichnet und von der man sogar sagen könnte, dass sie im Bild dargestellt wird, kaschiert das konstruierte Territorium und seine administrativen Grenzen, die im hier vorliegenden Fall auf koloniale Anordnung entstanden, die die ­– zumindest moderne – europäische Auffassung von Territorialverwaltung bedient und untrennbar mit dem Begriff von Landbesitz verknüpft ist. So kam es, dass die scheinbare Ausdruckslosigkeit der Landschaft zu Reflexionen über das Staatsgebiet anregte, um so Raum zu charakterisieren.

 

Es gilt hier jedoch auch noch den in diese geopolitischen Konstruktionen vertieften, suchenden, aber auch sehenden Blick selbst zu hinterfragen, denn das Gebiet war bereits Land, bevor es Kolonialisierungsprozesse erfuhr und blieb es auch nach den militärischen Auseinandersetzungen. Es stellt sich also die Frage, ob man das Land strukturell derart betrachten und begreifen kann, dass politische und ästhetische Auffassungen auseinanderdividiert werden, und wenn ja, was sagen diese dann über mich selbst, über die hineinprojizierten Gefühle und impliziten Kenntnisse, die in die Kontemplation hineinspielen? Hier geht es mir darum, den – im Sinne des portugiesischen Imperialismuskonzepts – als national bezeichneten Raum zu erkennen, um so den Begriff der Kolonisierung von Raum abstrahieren zu können, der seinerseits auf der Überlagerung von Räumlichkeiten beruht, die von einzelnen Wissenschaften, wie der Anthropologie, Ethnographie, Geographie und Ökonomie, geschaffen wurden. Diese Disziplinen benutzen Beschreibungen und Zeichnungen, Texte und Bilder, um immaterielle Räume gedanklich zu erfassen, die auf das soziale und sprachliche Gefüge weitreichende, in der Landschaft nicht sichtbare Auswirkungen haben, jedoch die Kollektivbezeichnung Übersee im Gegensatz zum Mutterland mittrugen. Das Überseegebiet war ein imperialistisches Konstrukt, das geomorphologisch gesehen unbedenklich ist, weil es sehr verschiedene Morphologien umfasst, so beispielsweise die Vulkaninseln der Kapverden, das weit verzweigte Mündungshaff des Buba in Guinea-Bissau und die Bergregion im Landesinneren von Osttimor; d. h. es wird nicht nach geografischen Merkmalen, wie Lage, Vorkommen an Bodenschätzen, Einwohnerzahl und geologische Ressourcen sowie natürliche Topographie und Klima, unterschieden. Mit dem Kolonialregime wurde das Staatsgebiet durch die Einrichtung lokaler, der Regierung im Mutterland unterstellter Verwaltungsstrukturen neu definiert. Zwar ist mittlerweile die formale Besatzung des Gebiets politisch und wirtschaftlich – zumindest im imperialistischen Sinne – abgezogen worden, aber als sie bestand, hat sie ein Bildkontingent geschaffen, das auch heute noch in staatlichen, institutionellen und privaten Archiven weiterlebt und zur Schaffung erdichteter Räume geführt hat, die immer noch als Szenario für zahlreiche historische Aufzeichnungen dienen, insbesondere wenn die Forschungsarbeit vom Archiv ausgeht. Ich frage mich also, ob dieser Blick – der selbst nicht von kolonialen Ressentiments und emanzipatorischer Resilienz geprägt ist, sondern vorwiegend von eurozentri(sti)schen Sichtweisen gelenkt wird – überhaupt eine Auslegung des dargestellten Raums liefern kann. Insbesondere wenn Spuren der portugiesischen Kolonialherrschaft, wie beispielsweise die Sprache, fortbestehen und eine fiktive Nähe schaffen, die der Ortsversetzung des Subjekts und seiner Erfahrung als Fremder entgegenwirken.

 

In diesem Sinne halte ich die Frage für sinnvoll, ob die hier vorgeschlagene dreidimensionale Darstellung von Raum, die darüber hinaus auch zeitlich, bildlich und textuell ist, die ihn abstrahiert, denn sie verweist und referiert auf ihn und restrukturiert ihn, zu einer Diskussion über räumliche Verflochtenheit durch koloniale Bindungen beiträgt. Dieses gilt zumal, wenn diese Darstellung ins Museum gebracht wird, wo sie dann ästhetischen und politischen Aspekten und Ansprüchen entsprechend in einem Kontext eingebunden existieren wird, der also nicht unbeeinflusst von Geschmack und Machtverhältnissen ist und wo sie wiederum Konzeptionsverfahren unterworfen wird. Eine derartige Reproduktion von Raum, die ihn zu- nächst nicht nur dadurch dekonstruiert, dass sie das Raumkontinuum durch die Beobachtung willkürlich durchbricht, sondern auch weil sie neben den Raum Archivfiguren ohne narrativen Anspruch stellt, die jedoch in sich für die Geschichtsfortschreibung bedeutsam werden, kann einen anderen Metaraum schaffen, d. h. eine Konstruktion, die eine andere Konstruktion bezeichnet, ein übereinander geschichtetes Denkgefüge, das den ursprünglichen Raum physisch kontrahiert, seine immaterielle Komponente dagegen expandiert. Genau dieses gleichzeitig umfassende und spezifische Konstrukt erlaubt es, eine dem ursprünglichen Raum innewohnende Chronologie durch Allusion auf einzelne geschichtliche, hier nun koexistierende Momente abzuleiten. Der Metaraum besteht also nicht nur aus seiner Geometrie und Stoffen, die Elementen der visuellen und haptischen Wahrnehmung Form geben, so beispielsweise Tiefe, Dichte oder Zusammensetzung, aber auch und vielleicht insbesondere aus der Überlagerung von Bild- und Textfolgen. Man kann also sagen, dass der Metaraum eine Art von bild- und textspezifischen Verstehensmodi benutzt, die durch die Dreidimensionalität der Installation der Elemente noch komplexer wird. Diese Modi werden nicht nur durch visuelle Texturen aus Bildprojektion und graphischer Textgestaltung gelenkt, sondern ermöglichen auch eine Studie über die Mitwirkung des Körpers an ihnen, wenn sie den Akzent eher auf Nähe und Innehalten oder Ferne und Erkennbarwerden legen. Der Metaraum setzt insofern eine Bewegung in Gang, die im Ausstellungsraum sowohl das anfängliche Moment des Umherschlenderns, bei dem das Bild vor dem sich nähernden Blick allmählich Gestalt annimmt, wie auch affektive und epistemologische Antworten – Vorliebe und Interesse oder Abneigung und Desinteresse – auf die Landschaft und das Gebiet repliziert.

 

Sadjo Turé explains the demarcation of the southern border.

 

Die Argumentation, die meinen Vortrag strukturell getragen hat und in erster Linie in einer antithetischen Übung in Form von Dichotomien besteht, wie beispielsweise Landschaft und Staatsgebiet, Bild und Text, Empfindungen und Wissen oder Raum und Metaraum, weist mich noch auf eine andere hier in Rede stehende Sichtweise hin, die bereits in sich dialektisch ist: die Sicht des Kolonialraums und des ihm semantisch folgenden Postkolonialraums. Wenn es die mit dem Sehen, mit dem ausgesandten, betrauten, angewiesenen und mittelbaren Blick eng verbundene Kartographie war, die die Grundlage für die Kolonialgebiete und eine aufoktroyierte Gliederung und Herrschaft über Räume geschaffen hatte, so scheint der postkoloniale Raum logischerweise auf der Abschaffung der vorher etablierten Machtverhältnisse aufbauen zu müssen. D. h. auf die Erfassung von Geografien mit Hilfe eines bis zum Ende des Imperialismus ständig überarbeiteten politischen und wissenschaftlichen Palimpsests ist letztendlich die Fragmentarität des postkolonialen Raums zurückzuführen, von der die Dekonstruktion der Geopolitik dieses Imperialismus ausgeht. Nur ungern bediene ich mich hier einer solchen semantischen Sequenz, zumal der postkoloniale Raum nicht der ist, der auf den kolonialen, zu ihm temporal und kausal unmittelbar benachbarten Raum folgte und dessen Ende bezeichnet, d. h. er bedeutet nicht die Wiederherstellung der Sprache-Territorium Bindung (hier weil eine weitere, gleichermaßen objektive wie subjektive Dimension, wie die Sprachausübung, fehlt), die zwangsläufig unterbrochen wurde, sondern ein Raum ist, der in seiner Extension Migrationsbewegungen in einem allumfassenden, auch die Konsolidierung von kollektiven und individuellen Identitäten einschließendes Paradigma widerspiegelt. So lautet die Empfehlung in panafrikanistischen Schriften, die an eine rhizomatische Gemeinschaft appellieren, die die Diaspora miteinschließt, denn im postkoloniale Raum gibt es historische Kontinuitäten, die vom vorherigen Raum stammen und nun Bestandteil von ihm werden, was rückblickend betrachtet auch bedeuten kann, dass der postkoloniale Raum bereits während des vorherigen Raums bestand, d. h. dass beide gleichzeitig bestehen. Insofern möchte ich auf eine andere Blickrichtung für die Auffassung von Raum fokussieren, die nicht mehr in erster Linie physisch ist und die geografische Homogenisierung durch Grenzziehungen versteht, die ihrerseits auf Dichotomien wie Orient und Okzident oder Nord und Süd aufbauen, und eine Sicht ansprechen, die vormalige, in heutigen Verläufen weiterhin präsente Beziehungen einbezieht und sich von daher von dieser Materialität emanzipieren muss, um transnationale Identitäten zu festigen. Der postkoloniale Raum – Postkolonialität hier verstanden als Kritik an der kolonialherrlichen Geschichtsschreibung – ist somit ein Raum, der selbst in einer Überprüfung von Narrativen besteht, d. h. ein Raum, der den ersten Raum gleichzeitig einbezieht und abschafft, ohne die Logik der wirtschaftlichen, sozialen und affektiven Teilräume in den Hintergrund zu drängen.

 

Um zum Schluss und zurück zum Umherschlendern zu kommen, das im Metaraum später reproduziert ist. Das Fantasiegebilde, das durch eine solche Übung entsteht, denn es fehlt die Delokalisierung des Subjekts, d. h. die vorübergehende Aufhebung seiner rein visuellen Beziehung zur Landschaft, um im Territorium das, was nicht gesehen, aber mehr oder weniger bruchstückhaft angedeutet ist, zu erblicken, erweist sich als eine Art Rekonstituierung eines Raums, die im ersten Moment der Demontage des Imperialismus entspricht. Der Metaraum, der durch die Überlagerung von Objekten und der Verknüpfung von Epochen eine Wahrnehmung im Ausstellungsraum bewirken will, die, weil sie an der Grenze zwischen Subjektivität und Historizität existiert, unbestimmt ist, vermag dennoch die Auflösung des Kolonial- und Postkolonialraums durch unmittelbar nebeneinander ausgestellte Texte und Bilder über sie zu visualisieren.

un-/scheinbare Landschaften – Paisagens francas na pós-colonialidade
Lecture presented during the International Conference on Landscape and Cinema, Lisbon, Portugal, November 2018. Translation from Portuguese by Rui Vilela. Proofreading by David Wild.

 

 

In her text Passivität, the author Kathrin Busch writes: “Thus, in antiquity, the idea of leisure is based on high esteem of thought, which is only possible in idleness because it presupposes a freedom from the practical demands of life. One can only be capable of political and philosophical wisdom when freed from purposeful contexts.” Following this thought, I photographed landscapes in Guinea-Bissau unconcernedly as I walked, which results in several sequences of images to be displayed as an installation of 35mm slide projections. Thus I call this a performative representation of space, where it can be understood not only in its physicality, because it is granted extension, but also through what it emanates. The act of walking arises, then, as a place of creation of images, that is, of artistic production: at the same time, one of representation and signification. I think that such observations, which may be considered idle, which look at and document space, the natural and anthropogenic processes and objects that constitute it, create conditions for a simultaneous aesthetic and political consideration of landscape and territory. The apparent unadorned journey instils in the images a banality that does not confirm, or even denies an ability to revisit past episodes through them, since they do not document events that were salient to historical development, in the way that archival images do. At least this is so, until I look at motifs which were specifically given the responsibility of representing the past. The attrition to which some of these elements have been subjected and which may mean oblivion, disrespect for memory, or perhaps simply the course of time itself, is only a manifestation of the ruin to which others have already succumbed. In the images made outside the urban centres, only traces, almost imperceptible, may be recognised: such as a concrete platform, which was a podium during the Congresses of the African Party for the Independence of Guinea and Cape Verde in Cassacá, and became a remnant of resistance embedded in the earth, or the border markers that materialise conversations between colonisers and determined the territories of the future nation-states.

From the interview with Teodora Inácia Gomes.

 

 

As the author points out, when she mentions the relation between thought and idleness as known from classical antiquity, it is thus in passivity, in unconcern, in wandering, that I find the opportunity for reflection which, in this case, will involve, presumably in an imperative way, politics of occupation, since I am not looking at just any territory but at one that was colonised. It interests me here to mention that any image of physical space, even when performative, by which I mean, that in its origin represents acts and modes of perception of that space, and will deconstruct it, because it will always be partial and therefore unable to reproduce what most characterises it: the very containment of the body. In this context, the image will always be a metaphor of space, never space itself, and therefore it requires modes of installation that refer to three-dimensionality. In this exercise of translation of space into an art object, the installation still lacks knowledges not visible in the image but that shaped the moment of its creation. Here I find the possibility of a textual approach to the represented physical space that the photographic image does not ensure; in other words, it is the discrepancy between the perception of space and the image that gives rise to the use of the word, which now refers to the elaboration of a meta-space.

 

The title of the work – un-/scheinbare Landschaften –, initially conceived in German and which I translate as paisagens francas –, makes use of the binomial scheinbar/unscheinbar. Whereas scheinbar, which comes from the verb scheinen and means leuchten or glänzen, in Portuguese brilhar, and so refers to the ability to become visible, to be imagined, the quality of being illusory, that is, it alludes to appearance; by contrast unscheinbar, which in its spelling seems to indicate antagonism to the former, was embedded with the meanings of kraftlos, powerless, weak, of ausdruckslos, inexpressive, but also imperceptible or even uninteresting. In this sense, the title means to say that such a visualisation of space deals with its presumed inconspicuous notoriety, with its, presumably unapparent, distinctiveness, that is, it intends to shift the attention of its morphology to what is, more or less, hidden but may serve the disambiguation of the image itself. In this characterisation of space, consideration is needed not only of the landscape, which I understand here as the image of the land, as before the image there is no landscape, only land; that is to say, in order to have a landscape, the representation of the latter, be it visual or literary, is necessary, but territory must be also considered, namely as a historical-political construction. The inherent ecological specificity, a constituent part of the landscape, which may even be said to be represented in the image, dissimulates the constructed territory and its administrative delimitations, which in this case resulted from a colonial injunction that serves the European conception, at least the modern one, of governance of space, and is inseparable from the sense of possession of land. It was, therefore, the apparent inexpressiveness of the landscape that led to considerations about the territory, in an effort to characterise space.

 

It is, however, relevant to question the very gaze that seeks those geopolitical constructions, but looks also while embedded in them, since the territory was already land, before the imposition of the colonisation processes, and continued to be so after its armed dispute. That is, can the land be structurally observed and understood, in such a way as to disentangle political and aesthetic considerations and, if so, what do they say about myself, about projected affects and implicit knowledges that take part in its contemplation? Here I need to mention the so-called national space, a conception of Portuguese imperialism, which allows me to abstract the notion of colonisation of space and which was itself sustained by the superposition of spatialities conceived by sciences such as anthropology, ethnography, geography and economy. These are disciplines that resort to description and drawing, text and image, for the theorisation of immaterial spaces, with vast implications for social and linguistic fabrics that are not visible in the landscape but which have supported the term Ultramar (overseas), by contrast to the metropolis. The overseas territory (território ultramarino) was an imperialist construct, geomorphologically innocuous because it agglomerates morphologies as distinct as the volcanic islands of Cape Verde, the Buba estuary in Guinea-Bissau or the central highlands of Timor-Leste; that is, it does not discriminate between geographic features such as location, natural resource, population and geological contingency, natural topography and climate. It was the colonial regime that redefined national territory by the implementation of local administrative structures subordinated to metropolitan power. Although the formal occupation of the territory has since then been politically and economically dismantled, at least in its imperialist sense, as long as it existed, it produced a contingent of images that survives today in state, institutional and private archives, and which resulted in the creation of imagined spaces that continue to serve as scenery to profuse historical accounts, especially when research is done from the archive. So I ask myself if this gaze, one that was not itself sculpted by colonial resentments, by an emancipatory resilience, and even more when informed by ethnocentric ways of seeing, is capable of offering an interpretation of the space portrayed? All the more so when traces of Portuguese colonial occupation, such as the language itself, persist, generating a fictitious proximity that defuses the relocation of the subject and its experience of the unfamiliar.

 

Tabanca (village) Béli, in the Eastern region of Boé.

 

 

Thus, I intend to question whether the proposed three-dimensional representation of space, which is also temporal, visual and textual, and abstracts it, as far as it references, refers to and restructures it, serves a discussion about the spatial entanglement caused by colonial bonds. All the more so, when the representation is brought to the museum, where it comes to exist according to aesthetic-political implications and demands embedded in a context that is not, therefore, alien to taste and relations of power, and where, once again, it is subject to processes of conception. Such a reproduction of space, which initially deconstructs it, not only because it interrupts it through a discretionary act of observation, but also because it juxtaposes archival figures without narrative pretension but which themselves become signifiers of historical continuity, intends the creation of a meta-space, that is, a construction that means another construction, a doubly conceptual structure, that physically contracts the original space but expands its incorporeal component. It is precisely this elaboration, which is synoptic and particular at once, which allows the deduction of an implicit chronology to the original space through the allusion to diverse historical moments that now coexist. The meta-space thus consists not only of its geometry and materials, which formalise elements of visual and haptic perception, such as depth, density or composition, but also, and perhaps above all, of the overlapping of visual and textual cadences. It can then be said that the meta-space employs modes of reading required by image and text, in a form that is made yet more complex by the three-dimensionality of the installation of its elements: modes that are not only oriented by visual textures composed by the projection of the image and the typography of the text but also allow an essay on the commitment of the body during them and enhance proximity and confinement or distancing and disclosure. In this way, the meta-space activates a movement that replicates in the exhibition space not only the initial moment of wandering, in which the image gradually composes itself in front of the approaching gaze, but also the affective and epistemological responses, the predilection for and the interest or aversion and disinterest in landscape and to territory.

 

The argument that underpins my contribution and which is marked by an antithetical exercise embodied by dichotomies such as landscape and territory, image and text, affect and knowledge or space and meta-space, leads me to another conception at stake here and which may seem dialectical itself: that of colonial space and of another that, semantically, succeeds it, the postcolonial. If cartography, in a close relationship with vision, with the missive, delegate, commissioned and mediating gaze, which had consolidated colonised territories, an imposed organisation and governance of space, the postcolonial space seems, from this juncture on, to have to be co-opted in the annulment of the power relations that the former had established. In other words, it was the capture of geographies, with the aid of a political and scientific palimpsest, continually revised until the end of imperialism, which instilled the fragmented condition into the postcolonial space, from which the deconstruction of geopolitics behind the former was made. It is with reluctance that I make use here of such a semantic sequence, for the postcolonial space is not that which succeeds the colonial, which is temporally and causally contiguous with it and therefore terminates it, that is, it is not the regeneration of the linguistic link with the territory (here, in the absence of another dimension that is equally objective and subjective, as is the exercise of language) which had been forcedly severed, but one which, in its extension, reverberates migratory movements in an all-encompassing paradigm and integrates the consolidation of collective and individual identities. This is proposed by Pan-Africanist statements that call for a rhizomatic unity that encompasses the diaspora, since in the postcolonial space exist the historical continuities that arise from the preceding one and constitute it, which in a regressive perspective, may also mean that the postcolonial space already existed during the preceding one, that is, that they are concomitant. In this way I want to focus on a displacement of the conception of space that ceases to be markedly physical and intended the geographic homogenisation through the imposition of borders, itself based on dichotomies like East and West or South and North, to another one that incorporates previous networks which are still present in contemporary paths and, therefore, have to emancipate themselves from materiality for the consolidation of transnational identities. Thus, postcolonial space, understanding here postcoloniality as the critique of the coloniser’s historiography, is a space that consists of the re-evaluation of narratives, that is, one that simultaneously incorporates and revokes the first, without neglecting the logic of the economic, social and affective sub-spaces that constitute it.

 

To conclude, I would like to return to the idea of wandering, which is then reproduced in the meta-space. The reverie that such an exercise promotes, because it requires the delocalisation of the subject, that is, the suspension of its strictly visual relation with the landscape in order to look at the territory, at that which is not seen but suggested in a more or less fragmented way, reveals itself as a way of reconstituting a space that initially concerns the dismantling of imperialism. The meta-space that, through the superposition of objects and the interweaving of times, proposes to concretise in the exhibition space a perception that is uncertain because it exists at the threshold of subjectivity and historicity, nevertheless intends to visualise the dissolution of colonial and postcolonial spaces by contiguously displaying texts and images that refer to them.

 

Aerial photographs of Guinea-Bissau, Historical Ultramarine Archives, Lisbon. Photographs made by the Mozambican Photogrammetry Services (1967), at the request of the architect Maria Emília Caria, possibly during her position at the Directorate of Urbanisation and Housing Services (former Colonial Urbanisation Office) and after her mission trip to Bissau in 1966.